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Was aber hat dies alles mit der Ironie zu tun, die wir intuitiv doch eher auf der Seite des Witzes und des Humors lokalisieren, als auf der eines radikalen und abgründigen Zu-Ende-Denkens? Um genau diese 'ernste' Seite des Ironischen aber geht es in der vorliegenden Aufsatzsammlung. "Mit der Ironie ist durchaus nicht zu scherzen", gab immerhin schon Friedrich Schlegel zu bedenken. Damit aber nicht genug. Nicht nur gebiert Ironie den Ernst, auch wendet der Ernst sich - zwangsläufig? - ironisch gegen sich selbst. "Sprachen der Ironie" und "Sprachen des Ernstes", so der Befund der Mitarbeiter des Bandes, sind einander zuweilen unverständlich gewordene Dialekte desselben Idioms.Präziser formuliert lautet die Frage, zu deren Klärung sich eine Reihe renommierter Autoren im Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung eingefunden hatte: Hat auf semantischer Ebene so etwas wie ein Ironieverlust im Diskurs des 19. Jahrhunderts (Philosophie, Publizistik, Literatur) stattgefunden und warum? Bohrer, der in der vorliegenden Ausgabe gleich mit vier Aufsätzen vertreten ist, eröffnet die Diskussion mit einer Darstellung Schlegels, dem Urahn jenes Theorems, das die Gattungsgrenze zwischen Literatur und Philosophie aufheben will und dem Verfassers des programmatischen Essays Über die Unverständlichkeit (1800). Schlegel repräsentiert das fortgeschrittene Bewußtsein für die semantische Form sprachlicher Mitteilungen. 'Unverständlich', das bedeutet für ihn: der Stil wird zum Vollzug des Theorems und entscheidet damit unmittelbar über dessen Sinn.(5) Darum läßt sich Schlegels Kommentar zur 'unverständlichen' Sprechweise auch als ironischer Selbstkommentar entlarven. "Ironie", erklärt Bohrer, "ist ja nichts anderes als eine besondere Form der mißverständlichen Rede, die zur Sprache als selbstbezüglichem Ausdruck gehört." Ironisches Sprechen wird hier als ein sich zwischen Dargestelltem und Darstellendem vollziehender Reflexionsprozeß greifbar. Wir dürften es zu einem guten Teil der romantischen Ironie zu verdanken haben, wenn sich die heutige Philosophie auf Erkenntnisformen jenseits ihrer logischen Sätze und propositionalen Gehalte rückbesinnt.(6) Augenfällig wird die Gebundenheit der Ironie an die Sprachform darüber hinaus in Bohrers Aufsatz zu Heinrich Heine: Hinter Heines vermeintlicher Frivolität im Umgang mit erhabenen Gegenständen steckt keine Leichtfertigkeit, sondern die "Frivolität gegenüber jenen, die an hehre Gegenstände als Fetisch glauben, also keine Reflexion über die Abhängigkeit solcher Gegenstände von ihrer sprachlichen Umsetzung anzustellen in der Lage sind". Heine und Schlegel stimmen in der quasi-chiliastischen Ankündigung einer anderen, unmittelbar bevorstehenden Zukunft überein, bei gleichzeitiger ironischer Aufhellung der pathetischen Metaphorik. Bohrer bezeichnet dies als "ironisch-erhabene Prophetie", als Konglomerat negativer und positiver Katastrophenphantasien. Die in den Athenäums-Fragmenten geführte ironische Rede, verkündet Schlegel in besagtem Essay, werde, wenn auch nicht in der Gegenwart, so doch von den Lesern des heraufziehenden Jahrhunderts "mit vielem Behagen und Vergnügen in den Verdauungsstunden" genossen werden können. Schlegel sollte sich irren. Seine Ironie ist auch im 19. Jahrhundert nicht verstanden worden, was als ein Indiz für ihre Vereinnahmung durch den philosophisch-wissenschaftlichen Mitteilungsgestus des Ernstdiskurses gelten muß. Als dessen Exponent tritt der deutsche Idealismus mit seiner Riege ernster Männer, mit Fichte, Schelling und Hegel auf den Plan.(7) Die romantische Ironie, so Hegel in seinen Vorlesungen über die Ästhetik, zerstöre die Objektivität der moralischen Sphäre durch einen falsch verstandenen Fichteschen Subjektivismus. Sie ufere aus in stilistische Partikularität. Hamanns Schriften, behauptet Hegel weiter, bestünden nur aus Stil; sie entbehrten jeder objektiven Substanz. Unerschütterliche Objektivität konzentriert sich statt dessen in der Existenzialisierung und Historisierung der zu verkündenden 'Idee' des Absoluten, in dem, was Nietzsche später pejorativ das "Ideal" nennen wird. Laut Bohrer greift Hegels Disqualifizierung des Ironischen auch auf das Gebiet des Geschichtsdenkens über. Als "Theodizee" straft die Hegelsche Geschichtsphilosophie aus der Höhe des besseren Arguments erbarmungslos ihre Gegner ab. Da für Hegel die Wirklichkeit im Kern vernünftig ist und die Vernunft wirklich, wird die den historischen Prozeß durchherrschende Rationalität zur geheimen Kommandozentrale. Darin liegt der tiefere Grund für das Verschwinden der Ironie, die als ambivalente, relativierende Rede dem Schmerz des Einzelnen und dem Unrecht des Ganzen sich zuwendet. Ironie ist auf den Dissens zwischen Welt und ihrem Sinn gerichtet, mit dem sie es weniger in formalen Lehrsätzen als mittels des Begehrens eines Nicht-Vorhandenen, der 'Empfindung' zu tun bekommt. Textlich, meint Rembert Hüser in seinem Aufsatz Mit Hamlet winken, findet sich die Ironie im 18. Jahrhundert in der Fußnote: als Andeutung und Wink. Den Zugang zu ironischen Texten haben wir demnach immer im Parterre zu suchen, nicht in der obersten Etage: "Gewinkt wird in diesen Texten nicht von oben herab." Der idealistische Ernst erweist sich als hartnäckiger Gegner der Ironie, weshalb auch Heines Wiederbelebungsversuch des Ironischen letztlich zum Scheitern verurteilt ist. In seiner schneidenden Sprachkritik im dritten Teil von Religion und Philosophie in Deutschland wird die Philosophie Kants, Fichtes und Schellings über ihre sprachliche Realisation ridikülisiert; Ironie manifestiert sich hier als Forum sinnlicher Evidenz. Ernst und pathetisch verdunkelt sich das Ironische jedoch, da Heine ausgerechnet Hegel - und damit seine Weise, Geschichte zu denken - von der Kritik ausnimmt. Kaum haben wir sie unter dem definitorischen Raster ausgemessen, da löckt Ironie auch schon den Stachel wider sich selbst: Die zuvor partiell ad absurdum geführten Denker des Deutschen Idealismus werden hinterrücks als heroische Positionen der zukünftigen deutschen Revolutionen restituiert. Als janusköpfig erweist sich Ironie auch in David Martyns Untersuchung von Fichtes Reden an die deutsche Nation: Sie sind nicht ernst genug, um ironisch zu sein. Rüdiger Bubner, der den Übergang von der Fichteanischen Systemphilosophie zum Fragment-Verständnis der Brüder Schlegel untersucht, fügt der Merkmalsausstattung der romantischen Ironie die Idee eines Sowohl-als-auch, eines permanenten Schwebens hinzu. Das geschieht zunächst diachronisch, als Antizipation einer Gesellschaft jenseits der Zerrissenheit, als romantische Favorisierung der Tendenz vor dem fertigen Produkt: "Fragmentproduktion rechnet planmäßig mit dem unkalkulierbaren Eigenlauf der Geschichte und beschwört damit eine Dimension künftiger Entwicklung. (...) Die systematisch offene Struktur regt das Zusammenwirken an, das eine Geselligkeit stiften wird, die es in der Realität noch gar nicht gibt". Im Spannungsfeld von System und Fragment ist sowohl die sokratische Ironie (Ironie als unwillkürlicher Reflex und Instinkt) als auch die Ironie des Aristoteles-Schülers Theophrast (Ironie als strategische Verstellung zur Dissimulation wahrer Absichten) aufgehoben. Ironie kommt in diesem Kontext zustande als "auspendelnde(s) Gleichgewicht zwischen Intention und Geschick, explizitem Wollen und Nichtanderskönnen" Auch Eckhard Schumacher,
der sich in seinem Beitrag über Die Unverständlichkeit der
Ironie erneut der Schlegel-Exegese zuwendet, beweist ein gutes Gespür
für das Oszillieren der Inhalte im ironisch-ernsten Fließgleichgewicht.
Auf welche Weise wird Ironie überhaupt lokalisierbar? Diese Frage
wird virulent, sobald wir in Literatur oder Philosophie auf die Form einer
sich als Ernst maskierenden Ironie stoßen. Dahinter verbergen sich
ironische Sätze vom Aussagetypus 'Diese Aussage ist nicht ironisch.'
Ein modernes Beispiel für ein solches System von Sätzen verdanken
wir dem Kleist-Preisträger des Jahres 1988, Ulrich Horstmann. Wie
bei Schlegel und Heine überlagern sich in Horstmanns apokalyptischer
Streitschrift Das Untier (1983) heiliger Ernst ("Vermonden wir
unseren stoffwechselsiechen Planeten!"(8)) und betonte Beiläufigkeit
(die Bewältigung der Menschheitsdämmerung ohne "Pfusch und Schluderei"(9)).
Bei näherer Betrachtung eröffnet das funktionale Begriffspaar
Ironie-Ernst Möglichkeiten, wesentliche Merkmale des apokalyptischen
Diskurses in der Literatur der Moderne aufzuschließen.(10) Da mit
Thomas Kaufmann "apokalyptisches Denken (...) nicht unmittelbarer Ausdruck
eines Krisenbewußtseins (ist), sondern eine Form, dieses zu bearbeiten"(11),
d. h. weniger eine Angelegenheit des Denkens als eine der mit ästhetischen
Mitteln gelenkten Emotionen, erhebt sich sowohl die Frage nach dem Lustgewinn,
der mit solchen Schreckensvisionen einhergehen kann, als auch die nach
den künstlerischen und literarischen Mitteln, die ihn ermöglichen.
Die Ironie, so scheint es, gehört als Widerpart und Befruchter des
Ernstes dazu. Wichtiger in unserem Kontext scheint allerdings, auf welche
Weise in der zitierten Schrift Mitteilungsgestus und Mitgeteiltes aufeinander
bezogen sind. Immerhin plädiert Horstmann "offen und ohne jede Ironie
für die unwiderrufliche Abschaffung des Menschen".(12) Ironie
verkapselt sich hier in der vordergründig seriösen Auslegungsdoktrin
und motiviert empörte, d. h. ernsthafte Reaktionen wie etwa den Ruf
nach dem Verfassungsschutz. Die Beteuerung der Stichhaltigkeit des 'anthropofugalen'
Denkens wird damit als Ironie zweiten Grades entzifferbar, deren epistemologischer
Status allein schon aufgrund des 'Außerordentlichen' ihres Redeinhalts
opak bleibt. Und auch bei Schlegel sind dort, wo er "fast ohne alle Ironie"
schreibt, Merkmale ironischer Rede aufweisbar. Darin offenbart sich laut
Schumacher, dessen Studie Die Ironie der Unverständlichkeit
vom Suhrkamp-Verlag für August 2000 angekündigt wird, ein eigentümliches
Merkmal der 'rhetorischen' Ironie: ohne Unverständlichkeit, obscuritas,
kommt sie nicht aus. Ihre Vollendung besteht nicht in der geglückten
Auflösung eines vorläufigen und fehlerhaften Begreifens in 'ernste'
Verständlichkeit, sondern in der Fortschreibung des Unverständlichen.
Wiederum Schlegel: "Die vollendete absolute Ironie hört auf Ironie
zu seyn und wird ernsthaft." Ironie unterhöhlt; sie befördert
ein Verstehen, das nicht allein von Intention, Repräsentation und
Interpretation bestimmt wird. Daran anknüpfend, gelingt es Schumacher,
Schlegels Ironie für eine Konzeptualisierung des Lesens als ihren
Inhalt permanent neu formulierende Lektüre fruchtbar zu machen. Der Begriff der
Ironie, das sieht auch Bohrer in seinem Aufsatz Nietzsches Aufklärung
als Theorie der Ironie, ist in jener - für die Rezeption entscheidenden
- ersten Phase zwischen Ästhetik und Kulturkritik negativ besetzt.
Die von Kittsteiner analysierten Verhältnisse (deutsches Ernstfalldenken
versus 'ironische' Geschichtsphilosophie) beginnen abermals zu changieren,
sobald hinter dem 'ernsten' Nietzsche - wenn auch nur für einen Augenblick
- sein ironischer Zwillingsbruder auftaucht. Mit Voltaire, der die Hegelsche
Theodizee bekanntlich in seiner Leibnizschen Vorform zum Gegenstand satirischen
Spottes macht(18), wendet sich Nietzsche gegen den Idealismus als eine
"vorwissenschaftliche Art der Philosophie". Idealismus ist für Nietzsche
gleichbedeutend mit Gegenaufklärung, das in seinen Augen letztlich
vom theologischen Ernst inspirierte Abrücken von der ironischen Tradition
der Romantik. Bohrers analytischer Blick ruht wiederum auf der Sprachform,
wenn wir Zeugen werden, wie dem noch andauernden Ernstdiskurs in der Geburt
der Tragödie ironisch mit einem anderen, 'trockenen' Ernst begegnet
wird. Dieser begreift, was ist, er perspektiviert nicht, was sein sollte
- im Gegensatz zum deutschen Idealismus, der sich der 'Feuchtigkeit' einer
selbstbetrügerischen Illusion hingibt: "Niemand wird so leicht eine
Lehre, bloß weil sie glücklich macht, oder tugendhaft macht,
deshalb für wahr halten: die lieblichen 'Idealisten' etwa ausgenommen,
welche für das Gute, Wahre, Schöne schwärmen und in ihrem
Teiche alle Arten von bunten, plumpen und gutmüthigen Wünschbarkeiten
durcheinander schwimmen lassen." Ein weiteres Merkmal dieser Ironie ist
ihr Einschluß ästhetisch-sinnlicher Befindlichkeit. "Die Expressivität
der Erkenntnis der immer wieder verschleierten, immer wieder zu enthüllenden
Illusion", sagt Bohrer, "gibt Nietzsches Philosophie ihr spezifisches
Pathos. Sie hat selbst noch Anteil am philosophischen Diskurs. Aber nur
zur Hälfte. Die Verdeckung ihres Widerspruchs als 'Heiterkeit', die
ein 'Verhängnis' verbirgt, ist der Sprung in die Ästhetik, denn
nicht die systematische Entfaltung, was denn das Verhängnis sei,
sondern das immer schon verschwiegene Gewußthaben dieses Verhängnisses
und die stilistische Expression (...) ist Nietzsches Projekt als ironischer
Stil." Nietzsche, so Bohrers Schlußwort, hat der ironischen Aufklärung
jedoch ein zu großes Gewicht beigemessen, als daß seine Ironie
in der Metaphorik der 'Maske' sich hätte entfalten können. Als
'neuer Ernst' wider den alten ist das ironische Bewußtsein
bzw. die Ironietheorie "notwendigerweise immer absoluter als seine
literarische Vollstreckung". Der Vergleich mit Schlegel und Heine, mit
denen Nietzsche die prophetische Naherwartung der Katastrophe, nicht aber
den ironischen Duktus teilt, erlaubt den Schluß, daß Ernstdiskurs
und Ironiediskurs nur dort dauerhaft miteinander interferieren, wo sie
der Leim des dezidiert Literarischen zusammenhält. Der letzte Aufsatz
Bohrers widmet sich Heideggers Ernstfall. Der Beitrag rekonstruiert
den End-Ernst der nationalsozialistischen Epoche über die idealistische
Erfindung eines absoluten Ernstes wider die Ironie. In Heidegger erblickt
Bohrer die äußerste Aufgipfelung des Seins- und Daseins-Ernstes,
angekündigt bereits durch Fichte und Hegel, nun noch verschärft
um die Spitze des ontologischen und historischen Arguments. Das Diagnoseinstrument
heißt auch in diesem Fall nicht Ideologiekritik, sondern - Stilanalyse.
Bohrers erstes Augenmerk gilt der Heideggerschen Kritik der metaphysischen
Kunsttheorie. Anders als der auf das Repräsentationsmodell der Kunst
(Kunst als 'Zeichen' für das Absolute) eingeschworene Frühidealismus
legt sich Heidegger für eine nichtfunktionalistische Ästhetik
ins Schreibzeug, zu deren Bezugspunkt für ihn Hölderlins Hymnendichtung
wird. Verweist in der Repräsentation ein sinnlich-physischer auf
einen übersinnlich-metaphysischen Bereich, so steht für Heidegger
die Dichtung außerhalb der Metaphysik. Als Gegenentwurf zur signifikatbezogenen
Zeichenfunktion firmiert er als ein "Nennen", das das "Genannte erst ins
Wesen hebt und dichtet". Das aber gelingt nur im Modus des Vagen, der
"Unbestimmtheit", in dem sich Bohrer zufolge Ansätze zu einer Theorie
einer selbstreferentiellen, sprich autonomen poetischer Sprache erkennen
lassen. Dieser Verzicht auf eindeutige Sinnidentifikation macht Heidegger
kompatibel zum ironischen, auf die Auflösung philosophischer und
pragmatischer Sätze gerichteten Stilphänomen. Das ruft in Heideggers
Ernstfalldenken jedoch sofort die Gegenthese auf den Plan: die Selbstreferenz
entpuppt sich am Ende als "Theologie der Wörter", in der die Wahrheit
auf ein fundamentales Erstes (das Sein) hin referenzialisiert wird. Bohrer
beschreibt dies als Rückbildung ästhetischer Kategorien. Der
Hölderlinsche Subjektivismus wird durch Heidegger unstatthaft ontologisiert,
sein national 'beschränkter Ernst' (Benjamin) verschärft. Es
erfolgt mit anderen Worten eine "Reduktion der metaphorischen Komplexität
zur Eindeutigkeit eines philosophisch-geschichtstheoretischen Systems.
Dieses Vorgehen zeigt den Ernstdiskurs auf dem Höhepunkt des Ernstes
in einer nationalsozialistischen Epoche, ein halbes Jahr vor der Schlacht
von Stalingrad". Ernst versus Ironie, das heißt immer auch Selbstbeschränkung,
Intentionalität, Auflösung in Einfachheit versus das Amalgamhafte
ästhetischer Rede, versus Intensität und Kontingenz. Zons' Sache ist
es, die Herkunft von Bohrers ästhetischen Kategorien (Ironie, Schmerz,
Schrecken, das Plötzliche, Eruputive), mit denen die deutsche Literatur
wieder Anschluß an die europäische Avantgarde gefunden hat,
aus einer spezifisch deutschen Antimoderne aufzuzeigen, "dem Primat der
kultischen Politik". Die von ihm konturierte Ironie hebt sich ab
von ihrer Funktion als Überwinderin metaphysischer Letztbegründung
(Richard Rorty)(19) oder als spielerischer und hypothetischer Gegenbegriff
zum zwanghaften Ernst der Philosophie und Theologie (Bohrer). Zons geht
aus von der szenischen Ritualisierung des Opfers in der Tragödie
und entlarvt die Opferbereitschaft, den "Meridian des Schmerzes", an dem
Kultur und Zivilisation sich kriegerisch scheiden, als spezifisch 'deutsche'
Linie. Zwar ist der bereits in der mythischen Folter erfahrene Schmerz,
wie Ernst Jünger meinte, noch immer die Signatur des "stahlharten
Gehäuses" des gegenwärtigen Zeitalters (er hat also keine Verminderung
erfahren), trotzdem hat die Schmerzerfahrung den Schauplatz gewechselt.
Beredte Beispiele dafür sind die Geburt der Anästhesie und klinischen
Analgesie als Exilierung des 'heißen' und Einwanderung des bewußtlosen
'kalten' Schmerzes in die Mitte des Daseins. Man könnte das - auch
wenn Zons das Wort nicht benutzt - eine 'Ironisierung' nennen. Der Blick
auf Schiller(20) befördert einen ähnlichen Befund zutage, und
zwar in Schillers Abspaltung des poetologischen vom philosophischen Diskurs.
Folgt man Zons, so zersplittert der Ernst hier gleich doppelt: im ersten
Fall diminuiert das Pathos immer weiter zur Referenz, indem es sich mit
dem Erhabenen verschwistert, im zweiten kehrt es als mit Lust verbundener
'enthusiastischer' Schmerz wieder. Obgleich vom Überwältigtwerden
durch den Schmerz bei Schiller wenig geblieben ist - an die Stelle des
Kultortes ist nun der Bühnenraum getreten - werden der Ästhetizismus
und die antizivilisatorische Rückgewinnung des Kultischen gewissermaßen
kurzgeschlossen. Wie steht es um Büchners Hermannsschlacht?
Hier gilt Zons' Augenmerk dem 'rasenden Ironiker' Hermann, dessen Kriegslist
in nichts anderem als im präventiven Heimatvernichten besteht, in
der Politik der verbrannten Erde. Hermann bestimmt ein in Römerkleider
vermummtes Häuflein 'wackerer Leute', durch Sengen, Brennen und Plündern
dem Feindbild die richtigen Konturen zu verleihen. Ironie, die komische
Parallelaktion zur Hermannsschlacht, sagt Zons, stehe beileibe nicht im
Dienste der Diesseitigkeit der Welt, sondern einer Wahrheit, die im gottverlassenen
Zeitalter der Subjektivität ihr eigener Effekt ist. Die Formel für
diese spezifisch moderne Form des Antimodernismus lautet bei Zons: "Sie
(die Ironie, d. V.) begibt sich in das Innerste des Feindes und in das
Fragwürdigste des Deutschen, um sie von innen her zu vernichten.
Neueste poetische Technik und eine bis dahin unbekannte Kriegspsychologie
schließen sich so mit dem Pathos des Opfers und mit der Tiefe des
Germanischen Grundes zusammen." Sämtliche nicht durch Anmerkungen belegte Zitate entstammen: Sprachen der Ironie - Sprachen des Ernstes. Hrsg. von Karl Heinz Bohrer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., 2000.
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